WHO erklärt: „Gaming kann zur Sucht werden“. Ein Kommentar.

Die erste Reaktion, die man da als Spieler hat, ist ganz klar: "Blödsinn!" Doch wenn man näher darüber nachdenkt, kommt man vielleicht zu einem anderen Entschluss.

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Die World Health Organization (WHO) nimmt nun Gaming disorder als Krankheitsbegriff auf. Wie kann etwas, was uns Spaß macht und niemanden schadet, als Störung („disorder“) oder gar als Sucht bezeichnet werden? Das könnte man im ersten Moment denken. Das habe ich im ersten Moment gedacht und dann habe meine Schnapp-Atmung eingestellt und nachgedacht.

Logo der WHO Quelle: ©World Health Organization WHO

Bei einer Störung oder Sucht wird nicht normales Verhalten beschrieben oder der Durchschnittsspieler, der mal gerne am Wochenende oder unter der Woche etwas spielt, sondern jemand, der nicht leben könnte, oder zumindest sich so fühlt als könnte er es nicht, wenn er einmal nicht jeden Tag spielt. Und so etwas sollte man ernst nehmen.

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Klar, die meisten sagen jetzt: „Hey, ich liebe zocken und könnte nicht ohne Spiele leben.“

Aber seien wir mal ehrlich, für die meisten von uns wäre es nicht schön, aber erträglich. Der Großteil reagiert auch nicht wie Raucher bei der Zigarettenentwöhnung, wenn er mal ein paar Stunden nicht irgendetwas gespielt hat. Viele werden nicht nervös oder aggressiv, sobald sie einmal den Bildschirm für ein paar Stunden verlassen müssen. Und auch die sogenannte Spielsucht, die sich aber auf Gewinnspiele oder Kasinos bezieht, ist lange bekannt und anerkannt. Warum sollte man also bezweifeln, dass manche von uns auch an einer Computerspielsucht leiden?

Eine Spielstörung ist im Entwurf der 11. Revision der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11) als ein Muster des Spielverhaltens („Digital-Gaming“ oder „Video-Gaming“) definiert, das durch eine beeinträchtigte Kontrolle über Spielzeit gekennzeichnet ist, wobei dem Spielen mehr Prioritäten beigemessen werden als anderen Aktivitäten, in dem Maße, dass das Spielen Vorrang vor anderen Interessen und täglichen Aktivitäten hat und das obwohl das übermäßige Spielen negative Konsequenzen mit sich bringt. – WHO

Sind wir denn alle süchtig?

Auch, wenn sich manche aus Scherz „süchtig“ nennen, sind es natürlich nicht alle Spieler. Auch die WHO hat dafür klare Kriterien und wirft nicht alle Spieler in einen Topf.
Computerspiele sind für die Mehrheit ein Hobby wie für andere mit Freunden ausgehen, lesen, Filme schauen und so weiter. Wir wollen damit ab und zu dem Alltag entfliehen, wir vergessen aber nicht komplett, dass wir auch Pflichten haben, wie die Wäsche waschen, Hausaufgaben erledigen, Kinder versorgen oder gar arbeiten.

Vom Spielen wie gefesselt. Quelle: ©
Recointensive.com

Süchtige vergessen dies jedoch oftmals schon oder es ist ihnen egal. Sie können gar nicht mehr anders. Je nachdem, wie stark jemand bereits süchtig ist, vergisst die Person sich sogar regelmäßiger Hygiene zu unterziehen, die Schulnoten werden schlechter oder die Person verliert sogar ihren Job und Freunde, weil sie nichts anderes mehr machen kann oder will außer zu spielen. Wenn der erste Schritt nach dem Aufwachen der Gang zum PC oder zur Konsole ist, nicht an einem Urlaubstag, an dem man ja könnte, sondern an jedem anderen regulären Tag, dann kann eine Störung vorliegen. Falls Realität mit Fantasie immer mehr verschwimmt, könnte dies ebenso krankhaft sein.

Um eine Spielstörung diagnostizieren zu können, muss das Verhaltensmuster so stark sein, dass es zu erheblichen Beeinträchtigungen in persönlichen, familiären, sozialen, erzieherischen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen führt und normalerweise für mindestens zwölf Monate erkennbar ist. – WHO

Was bedeutet ICD-11?

The International Classification of Diseases (ICD) ist ein Katalog von Klassifikationskriterien, der anhand von mehreren Faktoren eine Krankheit bestimmt, um bei der Entwicklung von Gegenmaßnahmen zu helfen. Die 11 steht für die 11. Revision dieser Klassifikationskriterien, die irgendwann in der Mitte des Jahres 2018 erfolgen soll.

Eine Entscheidung über die Einbeziehung der Spielstörung in ICD-11 basiert auf Überprüfungen verfügbarer Beweise und spiegelt einen Konsens von Experten verschiedener Disziplinen und geographischer Regionen wider, die an den von der WHO im Rahmen der ICD-11-Entwicklung durchgeführten technischen Konsultationen beteiligt waren. – WHO

Die WHO bezweckt damit eine leichtere Behandlung der Krankheit und gleicht gleichzeitig ab, welche Störungen oder Erkrankungen ähnliche Symptome oder Krankheitsbilder haben könnten. Mit diesen Informationen lassen sich schneller Behandlungsmethoden entwickeln.

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Sind wir alle gefährdet zu erkranken?

Eine Schrecksekunde lang dachte ich: „Was, wenn ich süchtig bin und es nicht wahrhaben will?“, bis ich mir überlegte, was ich noch alles an einem Tag mache, ohne das zwingende Bedürfnis zu verspüren, spielen zu müssen. Ich spiele definitiv überdurchschnittlich viel, aber ich vergesse nicht, dass ich ebenso andere Pflichten habe und auch meine anderen Hobbys nicht zu kurz kommen. Die WHO weist auch darauf hin, dass eine solche Störung nur einen geringen Prozentsatz von Spielern betrifft. Wir können also aufatmen.

Studien deuten an, dass Spielstörungen nur einen kleinen Teil der Menschen betreffen, die sich mit digitalen oder Videospielen beschäftigen. Personen, die an Spielen teilnehmen, sollten jedoch auf die Zeit achten, die sie für Spielaktionen aufwenden, insbesondere, wenn sie andere tägliche Aktivitäten ablehnen sowie auf Veränderungen ihrer physischen oder psychischen Gesundheit und ihres sozialen Funktionierens, die auf ihr Spielverhalten zurückzuführen sind. – WHO

Solange man also eine gewisse Balance hält, hat man auch keine Störung. Leidet das Privat-oder Berufsleben darunter, dann sollte man schon einmal genauer hinsehen.

Panikmache oder was soll das?

Man könnte die Ankündigung als Panikmache empfinden, tue ich jedoch nicht. Denn ich finde, dass Spielsucht, egal mit welcher Art von Spiel, ernst zu nehmen ist. Natürlich trifft es nicht besonders viele Spieler, aber falls Menschen das Maß verlieren und ein Hobby zu einer Krankheit mutiert, dann finde ich es gut, wenn es Möglichkeiten zur Behandlung gibt.
Oft genug wurden und werden psychische Krankheiten erst einmal als unwichtig oder „Einbildung“ abgestempelt und Erkrankte bekommen keine oder die falsche Behandlung. Bedenkt man jetzt, dass die Spielstörung oder Spielsucht zum Verlust von Job oder gar Familie führen kann, braucht man sich nicht wundern, wenn darauf eine Depressionserkrankung erfolgt, falls diese nicht sowieso schon vorher involviert war.
Eine Behandlung ermöglicht Erkrankten wieder die Kontrolle über ihr Leben zurückzugewinnen. Die Anerkennung dieser Krankheit von der WHO wird dabei helfen, die Entwicklung effektiver Behandlungswege weiter voranzutreiben und vor allem auch zu finanzieren.
Behandlungen von Spielsucht oder Störungen gab es bereits vorher. Auch die Diskussion, ob man den Begriff Videospielsucht oder Computerspielabhängigkeit als formale Diagnose verwenden kann, existiert bereits seit 2007 in den USA. Die American Psychiatric Association (APA) wurde aufgefordert zu untersuchen, ob die Diagnose für eine Aufnahme in den Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-IV) geeignet ist. Damals wurde Computerspielabhängigkeit nicht als psychische Störung betrachtet. Man kann auch sagen, es hat mindestens elf Jahre gebraucht, bis man diese Erkrankung auch als Krankheit bezeichnen darf. Warum ist so etwas ein Problem? Dadurch, dass die Störung nicht als das bezeichnet werden konnte, was sie ist, steigt die Möglichkeit der Fehlbehandlung.

Bild: © Gerd Altmann / pixelio.de

Psychische Erkrankungen sind schwer zu fassen, also erkläre ich es mal anhand einer körperlichen Verletzung:

Nehmen wir einen Menschen mit einem gebrochen Arm. Er bekommt sein Bein geschient, weil es die Diagnose „gebrochener Arm“ noch nicht gibt. Man nimmt an, dass das „gebrochene Bein“ ja so ähnlich ist und es deshalb erst einmal gleich behandelt. Aber ist dem Patienten damit wirklich geholfen? Eher nicht.

Aufgrund der richtigen Diagnose können leichter Möglichkeiten gefunden werden, um Patienten zu helfen. Durch die Anerkennung einer Krankheit, werden auch finanzielle Mittel bereitgestellt, um Studien in den Bereichen zu finanzieren. Außerdem erkennen Krankenkassen meist Erkrankungen nur dann an, wenn sie offiziell als Krankheit anerkannt wurden. Das heißt, selbst wenn es schon erfolgversprechende Therapien gibt, heißt das nicht zwingend, dass diese von der Krankenkasse akzeptiert und somit finanziert werden. Dass die WHO Gaming disorder oder auch die Videospielstörung als offizielle Störung aufnimmt, ist also etwas sehr Gutes für Betroffenen.

Wie denkt ihr darüber? Lasst es uns in den Kommentaren wissen.

QuelleWHO- World Health Organization
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Ich blogge bereits seit November 2017 für Sevengamer. Nach meinem Germanistik Studium habe ich eine Ausbildung in einer Stadt-Bibliothek begonnen, in der ich mich neben verschiedenen Medien wie Büchern, CDs und DVDs auch Verantwortung für Veranstaltungen rund um Gaming, Kunst sowie um den Comic/ Manga Bereich übernehme. Meine Hobbies sind: Bloggen, lesen, schreiben, zocken, zeichnen und Zeit in der Natur verbringen.
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